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Pures Entsetzen: „Erpresserbrief und Telefonterror“

Von Thomas Thöne

„Psychoterror und brutales Mobbing“ nennt es Albert Wittmann, CSU-Stadtrat und langjähriger Bürgermeister in Ingolstadt, womit sich der CSU-Kreisvorsitzende Stefan Huber derzeit auseinandersetzen muss. „So etwas entsetzt mich, so etwas hat es in der Ingolstädter CSU noch nie gegeben“, führte der Kommunalpolitiker weiter aus.

Huber ist Telefonterror ausgesetzt und erhält einen „Erpresserbrief“

In der zweiten Februarwoche, so bestätigen es mehrere Stadtratsmitglieder, Parteifunktionäre und Mitglieder der Partei, erreichte Huber ein anonymes Schreiben. Dieses wird mittlerweile in der Partei „Erpresserbrief“ genannt. In diesem wird gefordert, der Ingolstädter CSU-Parteivorsitzende solle bis zu einem genannten Stichtag von all seinen Ämtern und Funktionen zurücktreten, „sonst werde die Öffentlichkeit (dk)“, über finanzielle Unregelmäßigkeiten in der Partei informiert. Weiter waren Huber und seine Familie in der Nacht „Telefonterror“ ausgesetzt, wird berichtet. Anzeige habe Huber nicht erstattet, um der Ingolstädter CSU nicht zu schaden.

Am vergangenen Samstag schrieb die örtliche Lokalzeitung, namens Donaukurier, dann auch auf der Titelseite: „In der CSU-Kasse fehlt Geld“.

Worum geht es bei den angeblichen finanziellen Unregelmäßigkeiten?

Aus der Partei und Fraktion werden drei Vorgänge genannt, auf die sich das anonyme Schreiben beziehen dürfte.

Beim ersten Schwarz-Weiß Ball der Ingolstädter CSU nach der Coronapandemie bestand die Sorge, dass möglicherweise nur wenige Gäste kommen würden, zumal der Kartenverkauf angeblich schleppend angelaufen war. Daraufhin wurden Karten verschenkt.

Dieser Vorgang wurde nach der jüngsten Wahl des CSU-Kreisvorstandes und der Landtagswahlwahl im Herbst des letzten Jahres plötzlich Thema innerhalb der Partei.

„Es wurden die Zahlen der Besucher aus Medienberichterstattungen hergenommen und mit den tatsächlichen Einnahmen verglichen, daraus wurde ein Verlust des CSU-Kreisverbandes herbei konstruiert“, so ein Parteimitglied. Mehrere Mitglieder, auch des damaligen Ballteams, sollen Karten verschenkt haben, ist aus der CSU zu erfahren.

Dass das Verschenken von Ballkarten offensichtlich nicht unüblich ist, bestätigen zwei Mitglieder der Ingolstädter SPD auf Nachfrage von O-T(h)öne. Auf der Ingolstädter Ballnacht, dem Schwarz-Weiß Ball der SPD, sollen ebenfalls schon Ballkarten verschenkt worden sein.

Automat gibt keinen Kassenbeleg aus

Als weitere angebliche finanzielle Unregelmäßigkeit wird ein Familienfest der Ingolstädter CSU benannt. Die Veranstaltung war so gut besucht, dass Fleisch und Getränke ausgingen. Um die Gäste weiterhin versorgen zu können, so wird aus CSU-Parteikreisen berichtet, wurde aus einem Automaten, der vor einer Metzgerei steht, Fleisch geholt. Für den Einkauf gibt dieser Automat allerdings keinen Kassenbeleg aus. Um den Vorgang zu verbuchen, wurde ein sogenannter Eigenbeleg erstellt. Ein finanztechnisch gängiges Verfahren in Betrieben und Unternehmen, für Einkäufe, bei denen kein Beleg erstellt wird. Kritiker in der CSU bezweifelten, dass der Automat keinen Beleg ausgebe, sodass dies sogar durch eine Fotoaufnahme noch dokumentiert werden musste, berichtet ein CSU-Mitglied.

Das Ausstellen von Spendenquittungen für tatsächlich getätigte Ausgaben soll nach Angaben von mehreren Parteimitgliedern von Kritikern ebenfalls als finanzielle Unregelmäßigkeit bezeichnet worden sein.

Huber nach notärztlicher Versorgung stationär

CSU-Kreisvorsitzender, Stefan Huber, kann zu den ganzen Vorgängen derzeit selbst nicht Stellung beziehen. Dieser liegt, nach notärztlicher Versorgung eines internistischen Notfalls, seit vergangenem Donnerstagabend, nach Angaben aus Parteikreisen, in einer Klinik der Region. „Das Klinikum Ingolstadt konnte den Ingolstädter Bürger Huber nicht aufnehmen“, kritisiert ein CSU-Mitglied.

Rechtliche und steuerliche Prüfung erfolgt

Wegen der angeblichen finanziellen Unregelmäßigkeiten hat Huber selbst eine rechtliche und steuerliche Prüfung in Auftrag gegeben, wird aus der CSU berichtet. Beide Überprüfungen sollen ergeben haben, dass keinerlei Verschulden durch Huber vorliegt.

Der Konflikt zwischen JU und Stadtrat Meyer wirkt in die CSU

Aus Sicht mehrerer Parteimitglieder, Mandatsträger und Funktionäre der CSU, hängt das anonyme Schreiben an Huber eng mit dem Konflikt der Jungen Union (JU) und Stadtrat Markus Meyer (Junge Liste) zusammen. Meyer ist Vorsitzender des CSU-Ortsverbandes West. Er kandidierte bei der jüngsten Stadtratswahl allerdings nicht wieder auf der Liste der CSU, sondern auf der Jungen Liste. Somit gehört Meyer auch der CSU-Stadtratsfraktion nicht an.

Der Kreisvorstand der Jungen Union Ingolstadt hatte sich Anfang Februar in einer Sondersitzung einstimmig dazu entschlossen, die Zusammenarbeit mit Meyer mit sofortiger Wirkung zu beenden und diese Entscheidung über eine Pressemitteilung kundgetan. „Dieser Entschluss ist die Folge einer seit Jahren andauernden Erosion des Verhältnisses zwischen dem mittlerweile aus der JU ausgeschiedenem Stadtrat und der Organisation, die er eigentlich vertreten sollte“, teilte die JU mit.

Aufgrund der Pressemitteilung der JU lud Meyer zeitnah zu einer Sondersitzung seines CSU-Ortsverbandes. Zu dieser Sitzung wurde dem Vorsitzenden der CSU-Stadtratsfraktion, Franz Wöhrl, sowie dem stellvertretenden CSU-Kreisvorsitzenden, Christopher Hofmann, der Zutritt satzungswidrig verwehrt.

In der von Meyer einberufenen Sitzung sollen von diesem auch die möglichen finanziellen Unregelmäßigkeiten gegenüber seinem Ortsverband offengelegt worden sein. Meyer soll in der Sitzung dargelegt haben, dass er derjenige war, der den Vorgang in der CSU thematisiert habe, berichten Parteimitglieder.

„Einige ganz wenige aus der CSU haben sich daraus ein Konstrukt gebastelt, Huber habe die Pressemitteilung der JU veranlasst, um Meyer angesichts seiner kritischen Haltung zu finanziellen Vorgängen, zu schaden“, erklärt ein Mitglied der CSU-Stadtratsfraktion.

Huber war über Vorhaben der JU nicht informiert

Eine klare Position zu diesem Konstrukt hat Stadtrat Wittmann. „Ich bin mir sicher, dass das Handeln der JU und deren Pressemitteilung nicht von Huber veranlasst wurde. Huber war nicht glücklich über den Konflikt zwischen der JU und Meyer. Die JU hat es auch gar nicht nötig, sich vor irgendeinen Karren spannen zu lassen. Das sind selbstbewusste junge Leute, die auch schon bewiesen haben, dass sie was können“.

Huber selbst hatte bereits nach Veröffentlichung der Pressemitteilung der JU gegenüber O-T(h)öne erklärt, dass er in den Vorgang nicht eingebunden war.

Was den „Erpresserbrief“ an Parteichef Huber und den „Telefonterror“ betrifft, ist Wittmann ebenfalls klar in der Aussage: „Wenn herauskommt, wer das war, dann muss das Konsequenzen haben“.

CSU-Stadträtin Patricia Klein wollte, nach Angaben von Fraktionsmitgliedern, den Konflikt zwischen der JU und Meyer auch in der Stadtratsfraktion besprechen. Dies sei jedoch nicht erfolgt, da es ein Konflikt zwischen JU und Meyer ist und nicht der Fraktion.

CSU-Mitgliederinformation auf Bitte von Meyer angeblich bisher nicht erfolgt

CSU-Kreisvorsitzender Huber wollte spätestens am vergangenen Sonntag, wie mehrere Parteimitglieder unabhängig voneinander bestätigen, eine Mitgliederinformation herausgeben, in der er sich zu den angeblichen finanziellen Unregelmäßigkeiten und zum Konflikt zwischen JU und Stadtrat Meyer äußern wollte. Diese Information wurde auf Bitte vom Meyer nicht versendet, so ist aus Partei und Fraktion zu erfahren. Meyer habe für den darauffolgenden Montag um ein Gespräch gebeten, was allerdings kurzfristig von diesem dann abgesagt worden sein soll.

Am heutigen Abend treffen sich im CSU-Haus Dorothea Deneke Stoll, Horst Seehofer, Hermann Regensburger, Reinhard Brandl, Alfred Grob, Albert Wittmann und der stellvertretende Kreisvorsitzende Christoph Hofmann, um nach einer Lösung in der Konfliktsituation zu suchen. Mit dabei auch die Kassenprüfer der Partei, die einen Bericht geben, zu den angeblichen finanziellen Unregelmäßigkeiten. Die Zusammenkunft hat allerdings keine formale Zuständigkeit, diese liegt zunächst allein beim CSU-Kreisverband Ingolstadt.

Quelle: Eigene Recherche.

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